Authentizität. Die ´Währung` der neuen Zeit.

Schon vor ein paar Monaten wollte ich über Authentizität schreiben. Nun hat es länger gedauert, aber die letzten Tage kam dieses Thema auf verschiedenem Wege immer wieder zu mir, so scheint es jetzt also „reif“ zu sein. Es ist wie ein bischen in der Schule damals: als du die Themen lernen solltest, hast du es mehr oder weniger theoretisch, mit dem Verstand erfasst. Wirklich verinnerlicht, gefühlt, erlebt und dass du es so einfach auf verschiedene Sachverhalte im Leben anwenden kannst, das kam in der Regel erst nach etlichen Jahren.

 

Ca. 6 Jahre muss es her sein, dass ich den 4. oder 5. Termin bei einer Psychologin wahr nahm und am Ende des Termins zu ihr sagte: „Es ist schon verrückt, nachdem wir unser halbes Leben lang von außen lernen, was `richtig` und `falsch` ist und wie wir zu sein haben, uns selbst optimieren sollen/wollen, werden dann eine Menge Kurse und Coachings angeboten mit dem Thema, wie du mehr zu dir selbst findest. Es war also anfangs alles richtig, dann hast Du gedacht, du musst anders sein und gibst dann evtl. eine Menge Geld aus, um wieder da hin zu kommen, wo du am Anfang warst.“ Sie sagte zu mir: „Ja. Ich habe keine Bedenken, dass Sie Ihren Weg gehen werden.“

 

Letzten Freitag Abend hatte ich Yogakurs, eine neue Interessentin war zum Schnuppern angekündigt. Kurz vorher hatte mir mein Kind eröffnet, dass es heute doch zum Kurs mit da bleiben will anstatt zur Oma. So starteten wir also mit Kind neben mir (in zum Glück selbst gebauter Bällehöhle) und anfangs noch relativ lauter unpassender Musik im Nebenraum. Zwischendrin klingelte mein Handy laut, weil ich vergessen hatte den Ton runter zu stellen (später stellte sich heraus: aus Versehen angewählt…), einen kleinen Gedankenhänger hatte ich auch während der Stunde und die Endentspannung fiel relativ kurz aus, weil mein Zeitmanagement nicht passte und die Teilnehmer vom nächsten Kurs berechtigterweise quasi schon an der Tür lauerten.

Was ich dann gelernt habe war: Authentizität ist oft entscheidender als Perfektion – denn die neue Interessentin kam am Ende zu mir, half mir noch schnell meine Sachen aus dem Raum zu tragen und sagte, dass es ihr sehr gut gefallen habe und sie gern wieder kommen möchte.

 

Was ich meine ist nicht, dass man sich nicht bemüht gute Bedingungen herzustellen oder gute Ergebnisse zu liefern und sicher gibt es auch Bereiche z. B. in der Industrie oder Krankenkäusern etc., wo Präzision enorme Wichtigkeit hat, doch Perfektion lässt sich durchgehend nicht halten. Authentizität schafft dann oft eine größere Nähe und man merkt direkter, ob`s passt.

 

Synonyme für `authentisch` sind ´echt`, ´glaubhaft` bzw. ´glaubwürdig`. Die Wortbedeutung kommt aus dem Altgriechischen, wo es von den Wortstämmen her mit ´aus dem Selbst heraus` übersetzt wird. Auch das griech. Wort ´authentikos` steht für ´original´, ´zuverlässig`, ´richtig`. Ein bedeutungsverwandter Ausdruck ist auch: ´aufrichtig`.

Und ich glaube, wenn wir uns zugestehen, es üben mehr authentisch zu sein, sind wir wahrscheinlich oft näher an der Perfektion dran. Denn wir sind dann entspannter, weniger Angst oder Druck, denn wir müssen nichts sein, was wir in dem Moment nicht sind, müssen uns nicht vergleichen. Ein Spruch, der mal aus meinem Inneren kam ist: „Du bist am meisten Du, wenn du niemand sein willst.“ Ich glaube, dass das sehr erfolgreich machen kann, im eigenen Bereich. Und ich glaube, dass es sich mittel- und langfristig gesundheitlich sehr positiv auswirkt auch körperlich gesehen (weniger unter Druck, weniger Stress, eigenes Lebensmodell finden, muss sich nicht mehr schämen, etc.).

 

´Authentisch` war in den USA lt. Amerikas ältestem Wörterbuch das Top-Wort des Jahres 2023, welches am meisten online gesucht wurde. Hier wird geschlussfolgert, dass die Popularität zugenommen hat, aufgrund dass die Grenze zwischen ´echt` und ´falsch` zunehmend verschwimme. Es scheint mir, dass wir da zunehmend nicht so sehr von Amerika entfernt sind. Wenn ich mir da verschiedene Bereiche anschaue, angefangen von künstlicher Schönheit, `Reality`-TV, Fotobearbeitungs- und Handyfilter über Coachingangebote mit vorgefertigtem Raster, die dir vorgeben, wie du garantiert erfolgreich wirst im Bereich xy, wenn du nur genau das machst bis hin zur sich rasant entwickelnden KI, hinsichtlich derer wir als Menschen wohl zunehmend unsere Fähigkeiten schulen sollten, um zu erkennen, erfühlen, was ´fake` ist und worauf wir unsere Aufmerksamkeit wirklich lenken können. Unterscheiden lernen, fühlen/wahrnehmen lernen. Wir wissen zwar dann auch nicht immer die tatsächlichen Ursachen und Hintergründe, nehmen jedoch wahr, dass etwas nicht stimmig ist und übernehmen nicht alles unreflektiert.

In dem Sinne ist Authentizität, Wahrhaftigkeit und die Liebe dazu, vielleicht wirklich die Währung der neuen Zeit. Wir sind in der Lage zu fühlen, wenn etwas kohärent ist. Manchmal muss man das wieder etwas üben, auch sich selbst zu glauben und seiner Wahrnehmung.  Üben könnte man das z.B. mittels dem Lernen und regelmäßigen Üben von Meditation, einfach mal um wahrzunehmen, was kommt von außen und was kommt von innen.

 

Voraussetzung bzw. eigentlich glücklicher Umstand ist: wenn wir authentisch sein wollen, auch wenn wir unsere ganzkörperliche Wahrnehmungsfähigkeit schulen wollen, müssen wir uns erstmal damit beschäftigen, wer wir selbst sind!

Rückblickend muss ich sagen, wusste ich das lange Zeit nicht. Habe ich mich nicht wirklich gefühlt, habe ich nicht gewusst, was meine Werte, Bedürfnisse und Ziele sind. Habe mich oft angepasst, habe einfach mitgemacht. Ich habe mir dann immer gesagt: „Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, mit allen auszukommen, ist ja gut.“ Bis zu einem gewissen Grad sind diese Eigenschaften auch gut – nur mich gab es nicht. Das ist natürlich nicht bei allen Menschen so. Trotzdem ist Authentizität ein Weg weg vom Massenbewusstsein hin zu einem Individualisierungsprozess.

 

Erfordert evtl. etwas Mut… weil, wir wollen ja nicht von der Gemeinschaft ausgestoßen werden…

Was, wenn aber dadurch eigene Talente und Potentiale erst so richtig zum Vorschein kommen können. Dich eben die ´passenden` Menschen erkennen oder du einen passenden Platz/Stelle findest-? Was wenn dadurch dann wieder echtes Sehen und Zuhören dem Anderen gegenüber stattfindet, weil es wieder interessant ist? Was wenn dadurch überhaupt erst wieder Neues geschöpft werden kann? Berühmtheiten, Erfinder sind in der Regel einen eigenen Pfad gegangen, leben ihre eigene Autorität. Vielleicht fallen dann auch Schönheitsideale weg, entwickeln sich vielfältige Lebensmodelle, echte Diversität.

 

Authentizität ist gleich Schönheit, das Besondere, unvergleichbar. Authentizität ist ein Leuchten von innen heraus, nicht nur ein nach Außen vorgegebenes Strahlen. Du musst dabei nicht immer nach außen lächeln, es wird trotzdem Durchstrahlen, auch an schlechten Tagen. Auf staerkenkompass.de ist dazu dieser Satz zu finden: Authentizität steht für Substanz, nicht für Inszenierung.

Authentizität ist wie die Sonne, die strahlt, ist tiefes (Durch-)Atmen, ist Stärke, kommt aus dem Beckenraum und aus der Körpermitte, lässt uns aufrecht sein. In dem Sinne könnte man sagen, es ist quasi die ´Erleuchtung`, wer du bist 😉.

Oder, etwas weniger blumig und in Worten einfach: Sich selbst treu sein. Ein kraftvolles Mantra.

(Und aus dieser Mitte heraus kann dann natürlich auch passgenaue Veränderung entstehen.)

 

 

In großer Freude jedesmal über authentische Menschen,     Jacqueline

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